Candide oder der Optimismus ist ein Klassiker der Aufklärung. Voltaires berühmtester Roman ist eine beißende Satire auf die Philosophie des „Leibnizschen Optimismus“ – also die Vorstellung, wir lebten in der „besten aller möglichen Welten“. Diese Idee zerlegt Voltaire, indem er seinen gutgläubigen Protagonisten Candide auf eine absurde Weltreise schickt. Dabei widerfährt Candide (und allen anderen) so ziemlich jedes erdenkliche Grauen: Kriege, Erdbeben, Vergewaltigungen, Sklaverei, Kannibalismus, Inquisition – das Elend kennt keine Pause. Und immer wieder hält Candide an dem fest, was ihm sein Lehrer Pangloss eingebläut hat: Alles sei zum Besten.
Diese Absurdität erzeugt Ironie, Witz, manchmal auch schwarzen Humor. Ich musste beim Lesen immer wieder schmunzeln über Voltaires Scharfsinn, seine sprachliche Eleganz und die gezielten Seitenhiebe gegen Kirche, Philosophie, Aristokratie und Ideologie. Er trifft sehr präzise den Nerv seiner Zeit.
Aber so sehr ich das Konzept schätze, so sehr hatte ich zwischendurch das Gefühl, dass sich die Geschichte im Kreis dreht. Die episodenhafte Struktur, die immer neuen Katastrophen, das ewige „Und dann geschah noch etwas Schlimmeres“ – das ermüdete mich irgendwann. Die Botschaft war früh klar, die Ironie schlug für mich gelegentlich in Zynismus um. Ein Buch mit Haltung, aber nicht mit viel Herz.
Was mich allerdings wirklich gestört hat ist die Darstellung der Frauenfiguren. Kunigunde, das angebetete Ideal Candides, hat kaum eigene Handlungsmacht und wird mehrmals vergewaltigt, verkauft, benutzt, ohne dass dies vom Text irgendwie ernsthaft reflektiert würde. Frauen sind hier in erster Linie Opfer oder Objekt des Begehrens.
Was bleibt, ist ein philosophisch bedeutsames Werk, das auf clevere Weise Ideologien zerlegt und über den Zustand der Welt reflektiert. Candide liest sich als ironisches Plädoyer gegen blinden Optimismus und für ein realistisches, vielleicht sogar resigniertes, aber tätiges Leben.



