Patrick White, der 1973 den Nobelpreis für Literatur erhielt, gilt als einer der größten Schriftsteller Australiens. Sein Roman Voss aus dem Jahr 1957 zeigt deutlich, warum seine Werke so hochgeschätzt werden – und zugleich, warum sie so herausfordernd sein können. Es ist ein eigenwilliges Buch, das sich nicht klar einordnen lässt. Liebesgeschichte, Abenteuerroman, philosophische Reflexion – Voss scheint von allem ein bisschen zu sein, ohne sich für eines zu entscheiden.
Im Mittelpunkt steht Johann Voss, ein charismatischer, aber spröder Entdecker. Der Deutsche möchte in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Expedition durch die australische Wildnis durchführen. Vor seiner Abreise begegnet er Laura Trevelyan, einer jungen Frau, die mit ihm eine seltsame, fast mystische Verbindung eingeht. Ihre Beziehung verläuft größtenteils über Briefe und Träume. Das verleiht der Geschichte eine fast surreale Note. Die Expedition selbst ist von Gefahren, Strapazen und existenziellen Fragen geprägt. So zeichnet White ein intensives Abbild der Härte sowohl der Landschaft als auch der menschlichen Seele.
Aber so beeindruckend, wie White die Natur Australiens beschreibt, so schwer machte er es mir als Leserin mit den Figuren. Die Charaktere – vor allem Voss – blieben mir fremd. Seine Arroganz und Selbstüberzeugung ließen kaum Raum für Empathie, und auch Laura wirkte oft distanziert und schwer greifbar.
Auch die Mischung der Genres irritierte mich etwas beim Lesen. Einige Szenen mit Laura und ihrer Tante erinnerten mich fast an die Romane von Jane Austen mit den spleenigen Mutterfiguren, die ihre Kinder dringend verheiraten wollen. Die Schilderungen der Expedition erinnern dagegen an große Abenteuerromane wie „Herz der Finsternis“. Und dann noch diese spirituellen Szenen on top. Dieser Mix war für mich doch etwas gewöhnungsbedürftig.
Voss war daher für mich ein Buch mit Höhen und Tiefen. Patrick White kann ohne Zweifel großartig schreiben. Einige Passagen haben mich mit ihrer poetischen Kraft und Tiefe wirklich fasziniert. Besonders die Beschreibungen der australischen Wildnis und die düsteren, introspektiven Momente stechen heraus. Doch die Handlung verlor sich für meinen Geschmack zu oft in endlosen Dialogen und Abschweifungen, die die Geschichte nicht wirklich vorantrieben. Das Tempo mäanderte und ließ mich manchmal ungeduldig werden. Insgesamt fand ich das Buch okay – ein interessantes Leseerlebnis, aber kein Werk, das mich nachhaltig begeistert hat oder zu meinen Favoriten zählen würde.