Patrícia Melo: Gestapelte Frauen

Dieses Buch ist ein Schlag in die Magengrube – aber einer, der nötig ist. Gestapelte Frauen der brasilianischen Autorin Patricia Melo ist kein Krimi im klassischen Sinne, obwohl es um Mord geht. Es ist vielmehr ein schmaler, wütender Roman über systematische Gewalt gegen Frauen. Und er lässt einen beim Lesen nicht los.

Im Zentrum steht eine namenlose Frau, eine Rechtsmedizinerin, die in einem südamerikanischen Land (wahrscheinlich Brasilien) die Leichen ermordeter Frauen obduziert. Immer mehr davon, Woche für Woche. „Gestapelte Frauen“ nennt sie sie irgendwann – ein Begriff, der erschüttert, weil er so nüchtern wie verzweifelt klingt. In einem Land, in dem Femizide alltäglich sind, zählt sie nicht mehr Einzelfälle, sondern Masse.

Die Protagonistin ist keine Heldin. Sie ist abgeklärt, resigniert, zynisch. Doch ihr wird klar, dass das Schweigen ein Teil des Problems ist. Als sie beginnt, sich in den Fall einer jungen Frau namens Maria – eines ihrer „Opfer“ – zu verbeißen, entsteht so etwas wie ein Aufbäumen. Es ist kein Thriller mit Plot-Twists, sondern eine Erzählung über strukturelle Ohnmacht und das Ringen um Gerechtigkeit in einer Welt, die Frauen zu Opfern macht – und sie danach einfach vergisst.

Patricia Melos Sprache ist schnörkellos, kühl und auf den Punkt. Keine Abschweifungen, keine Metaphern, kein Trost. Gerade diese Lakonie macht die Wut zwischen den Zeilen spürbar. Immer wieder ertappte ich mich beim Innehalten. Beim Luft holen. Denn was hier erzählt wird, ist bitter real – nicht nur in Brasilien, sondern global.

Gestapelte Frauen ist ein unbequemes Buch. Kein „schönes“ Leseerlebnis, aber ein wichtiges. Für mich war es ein Weckruf – ein Roman, der deutlich macht, wie tief Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft verankert ist. Und wie notwendig es ist, nicht wegzusehen.

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