Was genau Die Weisheit des Blutes von Flannery O’Connor erzählen will, hat sich mir nicht erschlossen.Ich wollte die Südstaaten-Ikone endlich selbst lesen. Ich wollte wissen, ob all die Lobpreisungen als „Meisterin des Southern Gothic“ wirklich wahr sind. Überall wird ihre sprachliche Präzision und ihre grotesken Überzeichnung gefeiert, Doch was ich bekommen habe, war eine wirre Abfolge seltsamer Figuren, absurder Begebenheiten und einer Handlung, die sich wie ein einziges zielloses Straucheln anfühlte.
Worum geht es in die Weisheit des Blutes? Hazel Motes, ein junger Kriegsveteran, kehrt nach Hause zurück – desillusioniert, leer, vom Glauben abgefallen. In einer Mischung aus Trotz und Verzweiflung gründet er eine „Kirche ohne Christus“, eine antireligiöse Religion, die dennoch nicht loskommt von der christlichen Bildsprache. Um ihn herum: ein blinder Straßenevangelist mit dubiosen Absichten, dessen Tochter Hazel verführen will. Ein junger, geistig zurückgebliebener Mann namens Enoch, der glaubt, in einem Mumienpräparat das neue Heiligtum gefunden zu haben. Und eine Stadt voller Schwindler, Sektierer und verlorener Existenzen.
Die Kritik beschreibt O’Connor oft als Meisterin des Grotesken – aber hier wirkte es, als sei es Groteske um der Groteske willen. Bizarrheit ohne Bodenhaftung. Nichts davon fühlte sich real an, nichts symbolisch bedeutungsvoll – zumindest nicht auf eine Weise, die mich berührte oder zum Nachdenken brachte.
Ich fragte mich beim Lesen immer wieder: Warum passiert das alles? Und was hat es mir zu sagen? Die Antwort blieb aus. Die Figuren, so detailliert sie vielleicht beschrieben sein mögen, blieben mir fremd. Ich fand keine emotionale Verbindung zu ihnen, kein Mitgefühl, kein Interesse. Ihre Handlungen wirkten zufällig, manchmal fast willkürlich, wie ein zielloses Umherirren in einer verdreckten, verkommenen Welt, die sich selbst genügt. Vielleicht steckt darin eine Botschaft über Sinnleere und religiöse Verirrung? Aber wenn Die Weisheit des Blutes eine Mission hat, dann hat sie mich leider nicht erreicht.
O’Connor kann schreiben, keine Frage. Ihre Sprache ist klar, oft kraftvoll, manchmal sogar poetisch. Aber ein gutes Stilgefühl allein reicht nicht, wenn der Inhalt auf Distanz bleibt. Dieses Buch hat mich nicht ergriffen. Für mich war Die Weisheit des Blutes ein Roman, der viel Lärm um nichts macht.



