Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten

Jakob Fabian, Werbetexter, 32 Jahre alt, streift durch diese Welt mit einer Mischung aus Neugier, Skepsis und Melancholie. Er beobachtet – oft spöttisch, manchmal traurig – die Menschen um ihn herum: Künstler, Nachtclubgäste, Politikagitatoren, Möchtegern-Revolutionäre, Glückssucher. Er selbst ist kein Held im klassischen Sinne. Er nimmt vieles hin, kommentiert scharf, greift aber selten ein. Ein Moralapostel, der im Strudel der Zeit seine Orientierung sucht – und sie immer wieder zu verlieren scheint.

Kästners Sprache ist glasklar und gleichzeitig bissig, voll von pointierten Dialogen und Beobachtungen, die man sich am liebsten markieren möchte. Aber gerade in dieser scheinbaren Leichtigkeit steckt eine dunkle Grundstimmung: Die Welt, in der Fabian lebt, taumelt auf den Abgrund zu. Hinter den frivolen Nächten lauern Armut, Arbeitslosigkeit und politischer Fanatismus.

Was das Buch für mich so besonders macht, ist die Verbindung aus Zeitporträt und Charakterstudie. Berlin wirkt lebendig – fast wie eine Figur für sich. Gleichzeitig bleibt man nah an Fabian, seinem Zögern, seinen Zweifeln, seiner manchmal schmerzhaften Passivität. Das Ende kommt abrupt und hinterlässt einen fahlen Beigeschmack – genau wie die Zeit, die es beschreibt.

Ein Roman, der über 90 Jahre alt ist und doch erschreckend aktuell wirkt. Glänzend geschrieben, bitter im Nachhall – und definitiv ein Klassiker, den man nicht nur wegen seines historischen Werts lesen sollte.

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