D.B.C. Pierre: Jesus von Texas

Vernon Little sitzt ganz schon in der Scheiße. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. In der texanischen Kleinstadt Martirio verübt Vernons bester Freund Jesus einen Amoklauf. 16 Mitschüler sterben. Anschließend begeht Jesus Selbstmord. Vernon ist der einzige Überlebende in seiner Klasse und rückt dadurch selbst ins Spotlight. Warum hat gerade er überlebt? Hat er Jesus bei der Tat geholfen?

Was Vernon entlasten könnte: Seine Scheiße! Der der Teenie mit dem empfindlichen Darm hat sich während der Tatzeit im Wald neben der Schule erleichtert. Seine Hinterlassenschaften könnten ihm also ein Alibi bieten. Aber Vernon schweigt aus Scham. 

Was folgt, ist eine groteske Medien-, Moral- und Justizfarce. Vernon wird von der Öffentlichkeit zum Monster, zum Messias oder zum Teufel. Je nachdem, wer gerade am lautesten schreit. Anwälte, Talkshows, sensationsgeile Reporter, religiöse Spinner und eine komplett überforderte Gesellschaft stürzen sich auf ihn. Wahrheit spielt dabei kaum eine Rolle. Hauptsache, die Story verkauft sich.

DBC Pierre schreibt das alles mit einer rotzigen, überdrehten Stimme, die perfekt zu Vernons verzweifeltem, zynischem Blick auf die Welt passt. Der Humor ist derb, manchmal albern, oft bitterböse. Man lacht und merkt erst einen Satz später, wie düster das eigentlich alles ist. Die USA bekommen hier ordentlich einen mit: Waffenkult, Medienhysterie, religiöser Fanatismus, Todesstrafe. Alles wird durch den Kakao gezogen. Gründlich.

Trotz aller Überzeichnung hat mich das Buch immer wieder kalt erwischt. Vernon ist kein Held. Aber auch kein Monster. Er ist ein Junge, der überfordert ist, Angst hat und versucht, in einem System zu überleben, das ihn längst verurteilt hat. Gerade dieser Kontrast zwischen Klamauk und Verzweiflung macht den Roman so effektiv.

Der Jesus von Texas ist absurd, vulgär, laut und überraschend klug. Ein Buch, das dich zum Lachen bringt, während es dir gleichzeitig den Boden unter den Füßen wegzieht. Es zeigt, wie schnell Nachrichten kreiert werden können und wie Fake News ganze Leben zerstören können. Damit ist der Roman von 2003 immer noch absolut brisant und tagesaktuell mit seinen Themen.

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