Kurt Vonnegut: Schlachthof 5

1969 veröffentliche Kurt Vonneguts seinen Anti-Kriegsroman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“. Darin verarbeitet der amerikanische Schriftsteller seine eigene Vergangenheit. Denn Vonnegut war als Kriegsgefangener der Deutschen in Dresden, als die Stadt 1945 mit Luftangriffen zerstört wurde. Obwohl Vonnegut sich kurz nach seiner Rückkehr in die USA beschloss, seine Erlebnisse aufzuschreiben, dauerte es doch mehr als zwei Jahrzehnte, bis er seine Geschichte vollendet hatte.

Zwar erlebte Vonnegut den Dresdener Feuersturm mit und überlebte in einem städtischen Vieh- und Schlachthof, in dessen Keller er mit rund 100 anderen Gefangenen saß. Aber seine Erinnerungen konnte er erst niederschreiben, nachdem er die Figur „Billy Pilgrim“ erfand und sie in seiner Geschichte in den Krieg ziehen und schließlich in dem selben Schlachthof einsperren lässt.

Anti-Held als Hauptfigur

Billys Pilgrim ist kein typischer Soldat oder Kriegsheld. Ebenso wenig, wie Vonneguts Geschichte ein schlichter Roman ist. Wie ein Unbeholfener stolpert Billy durch den Krieg, durch die Ardennen-Offensive in deutsche Gefangenschaft, überlebt den Luftangriff, heiratet und bekommt Kinder. Die Schilderungen von Billys Abenteuern werden aber immer wieder unterbrochen und werden nicht chronologisch erzählt. Denn Billy kann durch die Zeit reisen. In einem Moment ist er daheim bei seinen Kindern, im nächsten befindet er sich wieder in Kriegsgefangenschaft und dann wird er auch noch von Aliens vom Planeten Trafalmadore entführt, die ihn in einer Art Zoo ausstellen.  So vermischen sich hier Tatsachenberichte und Science Fiction. Fakten und Details des Krieges werden Phantastischem gegenüber gestellt und die Wirklichkeit verfremdet, wodurch Vonnegut seine Gesellschaft- und Weltkritik äußert. Zum Beispielfragt Billy seine außerirdischen Entführer ungläubig:

Wie ist es möglich, dass die Einwohner eines ganzen Planeten in Frieden miteinander leben?

Kein Wunder, dass Vonnegut und Billy sich in eine Welt voller Fiktion und Phantasie flüchten. Wie soll man solche grausigen Erfahrungen sonst auch verarbeiten oder verstehen, wie Menschen anderen Menschen solches Leid zufügen können. Dies ist auch ein Teil von Vonneguts Schreibstil. Die Brutalität des Krieges wird meist ganz nüchtern und detailfrei geschildert. Oft nur kurz benannt, wenn überhaupt. Meist werden solche Schilderungen mit einem lapidar wirkenden, aber bitterböse sarkastischen „Wie das so ist“ abgerundet:

Beide hielten das Leben für sinnlos, nicht zuletzt wegen ihrer Kriegserfahrungen. Rosewater zum Beispiel hatte einen vierzehn Jahre alten Feuerwehrmann erschossen, den er für einen deutschen Soldaten gehalten hatte. Wie das so ist. Und Billy hatte das größte Massaker der europäischen Geschichte miterlebt, nämlich den Bombenangriff auf Dresden. Wie das so ist.

Klingt irgendwie merkwürdig. Aber diese sarkastische Gleichgültigkeit gegenüber solcher Grausamkeit geht durch die permanente Wiederholung dieser Floskel trotzdem durch Mark und Bein. Durch die Augen von Billy Pilgrim, einem jungen, vertrottelt wirkenden Soldaten erleben wir die schrecklichsten Jahre des letzten Jahrhunderts. Der voller Naivität und ohne zu wissen, was vor ihm liegen wird, was er erleben wird, in den Krieg zieht. Wie ein dummer Junger folgt Billy nur Befehlen, läuft anderen hinterher, ohne selbst nachzudenken, zu kämpfen oder etwas zu unternehmen. So stumpf, dass es fast wehtut davon zu lesen.

Der Kinderkreuzzug

Der Untertitel „Oder der Kinderkreuzzug“ bezieht sich übrigens auf die Tatsache, dass im Krieg auch viele Jugendliche – ja fast noch Kinder – in den Kriegsdienst eingezogen wurden, die keine Ahnung hatten, was auf sie wartet, sie hatten von Politik keine Ahnung und auch nicht, dass sie nur als Kanonenfutter eingezogen wurden. Vonnegut schildert im ersten Teil des Buches seine Erlebnisse beim Schreiben der Geschichte, erzählt von seiner Schreibblockade, aber auch davon, wie die Mary O’Hare, die Frau seines Freundes, der ihm bei den Recherchen helfen soll, zunächst böse darüber ist, dass Vonnegut das Buch schreibt: 

Du wirst so tun, als wärt ihr Männer gewesen, nicht Kinder, un im Film werdet ihr dann von Frank Sinatra gespielt und John Wayne, oder von irgendwelchen anderen Dreckskerlen, die sich für Start halten und den Krieg toll finden.

Deshalb versprach Vonnegut, sein Buch „Der Kinderkreuzzug“ zu nennen. Als das Buch 1969 in den USA erschien, landete es u.a. wegen unziemlichen Darstellung amerikanischer Soldaten und Blasphemie auf dem Index und wurde von den Lehrplänen gestrichen – und inzwischen ist Schlachthof 5 berechtigterweise einer der Klassiker der Anti-Kriegsliteratur.

 

Vielen Dank an den Hoffmann & Campe Verlag für das Rezensionsexemplar!

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